Wer Helfen kann, der hilft
In Zeiten des Krieges waren es seit jeher die vielen kleinen Gesten, die Mut machen und Hoffnung geben.
So auch im aktuellen Konflikt in der Ukraine, der tausende Menschen dazu zwingt, ihre Heimat zu verlassen. Seither packt jeder dort an, wo und wie er kann. Denn viele Puzzelteile ergeben ein Ganzes.
Ob Geld, Wohnraum oder Sachspenden – Aufrufe über die sozialen Medien verhallten in den vergangenen Wochen nicht im Nichts. Wer eine Hand ausstreckte und um Hilfe bat, bekam sie. So wie Natascha Marquardt aus Kreppendorf, die ihre Ferienwohnung spontan Geflüchteten aus der Ukraine zur Verfügung stellte (siehe Interview). Doch damit war es natürlich nicht getan. Kleidung, Essen, Hygieneartikel: Wer nichts mehr hat, braucht alles. Ein facebook-Aufruf und zahlreiche Angebote zur Unterstützung folgten.
Auch Claudia Gräf von der Bäckerei Gräf aus Seukendorf wollte etwas tun. Kurzerhand rief sie zur Spendenaktion auf. Und so wurde ein gesamter Samstags-Umsatz der Gräf-Filiale im Rewe-Markt in Seukendorf gespendet. Die Mitarbeiter legten ihr Trinkgeld ebenfalls mit dazu. Am Ende kam
eine großartige Spende in Höhe von 1630 Euro zusammen, die direkt an die „Aktion Deutschland hilft“ weiter gereicht wurde.
Die Freiwilligen Feuerwehren engagieren sich ebenfalls. Als das Landratsamt Fürth offiziell dazu aufrief, Ver-
bandskästen für die Menschen in der Ukraine zu spenden, richteten die Kameraden in Obermichelbach eine Sammelstelle dazu vor Ort ein.
Auch sie nutzten die sozialen Medien für einen Extra-Aufruf zur Aktion. Die Resonanz darauf war groß. Innerhalb eines Vormittags kamen rund 70 Verbandskästen zusammen.
In Seukendorf engagierten sich die Feuerwehrler ebenfalls. Sie folgten einem bundesweiten Aufruf, die Feuerwehr-Kollegen in der Ukraine mit dringend benötigten Ausrüstungs-
Materialien zu unterstützen. So schickten sie insgesamt 23 Einsatzhelme zur Sammelstelle nach Hannover, von wo aus diese weiter in die Ukraine geschickt werden. Bereits kurz nach Ausbruch des Krieges hatten sich die Seukendorfer Feuerwehrler schon als Logistiker und Transporteure engagiert. Sie hatten eine Sammelstelle für diverse Hilfsgüter eingerichtet, die sie anschließend zum zentralen Sammelpunkt nach Fürth fuhren.
Helferkreis Veitsbronn – Igor Ninic
Ehrenamtliche sofort einsatzbereit
Im Übergangswohnheim in Veitsbronn haben schon viele Geflüchtete und Spätaussiedler vorübergehend eine Bleibe gefunden. Unterstützt wurden sie hier stets von Ehrenamtlichen, die im sogenannten „Helferkreis“ organisiert sind. Gegründet worden war der anlässlich der großen Flüchtlingskrise der Jahre 2015/16. Doch seither reißt die Flut an Arbeit und Aufgaben nicht ab. Aktuell bereitet man sich auf Flüchtlinge aus der Ukraine vor.
Deswegen stehen die Verantwortlichen des Helferkreises in ständigem Austausch mit dem Koordinierungsstab im Landratsamt Fürth. „Wir wappnen uns dafür, bei Bedarf umfassende Hilfestellung anbieten zu können. Außerdem stehen wir mit dem Ankerzentrum und dem dortigen Helferkreis in Verbindung“, sagt Igor Ninic. Der Gemeindejugendpfleger von Veitsbronn lenkt und leitet auch den Helferkreis und ist für die gemeindliche Koordination der Flüchtlingshilfe verantwortlich.
Er ist dankbar dafür, dass die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ungebrochen groß ist. Doch die zahlreichen unterschiedlichen Angebote von Privatpersonen, Firmen, Unternehmen und Organisationen müssten Ninic zufolge immer wieder „in geordnete Bahnen“ gelenkt werden, damit sie effektiv und schnell zum Wohle der Flüchtlinge abgerufen werden können.
Die zahlreichen Hilfsangebote seitens der Veitsbronner Bürger, hat Ninic registriert und gesammelt. Aktuell bittet er aber noch um Geduld, „da nach wie vor keine gesicherten Zahlen zur Anzahl der Vertriebenen angegeben werden können“ und dementsprechend auch der Einsatzzeitpunkt von Ehrenamtlichen und der Bedarf vor Ort noch nicht abzusehen sei.
Wer helfen möchte, kann sich bei Igor Ninic melden, per E-Mail an: ninic@veitsbronn.de
Die Gemeinde Veitsbronn ruft zudem alle Bürger und Bürgerinnen dazu auf, sich zu melden, wenn sie ehrenamtlich als Dolmetscher für Ukrainisch und/oder Russisch tätig werden könnten.
Wichtige Infos des Landratsamtes zur Ukraine-Hilfe: www.landkreis-fuerth.de/ukraine-aktuelle-informationen-des-landratsamtes-fuerth.html
„Es ist unser Wille und unsere Verpflichtung, den Menschen in Not zu helfen. Wir bitten Sie dabei um Unterstützung!“
Aufruf der Gemeinde Veitsbronn auf ihrer Internetseite www.veitsbronn.de
Interview Natascha Marquardt – Sie gibt Flüchtlingen eine Unterkunft
Helfen ist eine Selbstverständlichkeit
„Nicht nur reden, machen!“ Nach diesem Motto handelt Natascha Marquardt aus Kreppendorf. Wie viele andere im Landkreis Fürth, hat auch sie spontan Wohnraum für Flüchtlinge aus der Ukraine zur Verfügung gestellt. Ihre rund 84 Quadratmeter große Ferienwohnung ist jetzt zum Schutzraum für die vom Krieg Traumatisierten geworden. Wer die Geflüchteten mit Sachspenden unterstützen möchte, kann sich gerne bei Marquardt melden, per Mail an: natascha_marquardt@gmx.de Im Interview spricht sie über ihre Gründe zu helfen, Angst vor dem Krieg und den Versuch, den geflüchteten Familien ein bisschen Normalität zu bescheren.
Es ist keine Selbstverständlichkeit, Fremden einen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Warum machst Du das?
„Wir leben hier in Deutschland sehr sicher und auch ,bequem‘. Es kommen nun Menschen hierher, die außer einem Koffer oder einer Plastiktüte nichts mehr haben. Da ist es doch das Mindeste, dass man ein warmes Bett und eine Möglichkeit hat, sich zu duschen und sich mal von den Strapazen zu erholen. Sofern unsere Ferienwohnung frei ist, stelle ich diese daher kostenfrei zur Verfügung. Auf 84 Quadratmetern mit drei Zimmern und sechs Betten finden besonders Großfamilien einen Platz zum Erholen und Durchatmen.“
Wie hast Du die Menschen aus der Ukraine erlebt?
Wie geht es ihnen?
„Gemischt. Die Familien, die bisher bei uns waren, waren alle dankbar und haben versucht, nicht aufzufallen. Die Wohnungen wurden super sauber hinterlassen, man hat fast jeden Tag den Staubsauger gehört. Ich glaube, das ist für die Familien vielleicht auch ein Stückchen Normalität. Gefragt, was sie genau erlebt haben, habe ich nicht. Ich finde, dass sich das nicht gehört. Das hat für mich so etwas wie Sensationsgier. Ich persönlich würde es auch nicht wollen, wenn ich nach tagelanger Flucht endlich ein normales Bett bekomme und dann von den Tagen erzählen sollte. Wir versuchen eher, die Menschen abzulenken und wenn es unsere Zeit zulässt, mit ihnen gemeinsam Spaziergänge über die Felder von Kreppendorf zu machen oder den Bauernhof der Familie Müdsam zu besuchen. Die Familie Müdsam ist hier sehr hilfsbereit – ein großes Dankeschön an dieser Stelle!“
Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Behörden?
„Wir haben keinerlei Kontakt mit den Behörden. Diese sind überlastet. Auf meine Email von vor drei Wochen habe ich immer noch keine Antwort erhalten. Aber wir erwarten nun auch keine mehr.“
Wer helfen will: Wie kann man Dein Engagement unterstützen? Was brauchen die Familien aktuell?
„Ich habe neben dem Bereitstellen der Wohnung auch Kleidung, Schuhe, Spielsachen, Hygienesachen etc. gesammelt. Unser Haus ist nun um ein paar Quadratmeter kleiner geworden, unter dem Treppenhaus habe ich eine kleine Klamottenkammer eingerichtet. Auch Kleiderständer und -bügel wurden gespendet. Die Leute sind unglaublich hilfsbereit. Was aktuell fehlt, sind Herrenklamotten und -schuhe in allen Größen. Es sind auch Senioren geflüchtet bzw. Teenager, die schon groß gewachsen sind. Ansonsten kann man uns mit Lebensmittelspenden unterstützen. Wir können die Familien an den Wochenenden nicht auch noch mit Lebensmitteln versorgen, das würde unser Budget sprengen. Auf der anderen Seite möchten wir, dass die Familien auch in diesem Bereich etwas unterstützt werden.
Man kann sich gerne per Email bei mir melden: natascha_marquardt@gmx.de“
Hast Du selbst durch den Krieg in der Ukraine Ängste entwickelt, die Du vorher nicht gehabt hast?
„Natürlich. Ich denke, dass das normal ist. Mein Partner und ich sprechen häufig über dieses Thema. Dieser Austausch ist auch wahnsinnig wichtig. Man versetzt sich in die Lage der Menschen, die nichts mehr haben, die Ihr Zuhause, Teile der Familie usw. zurücklassen. Die Ukraine ist nicht wirklich weit weg von uns, das ist natürlich auch etwas, worüber man nachdenkt. Manchmal möchte ich keine Nachrichten mehr sehen, aber man ist doch zu besorgt, um wegzuschauen. Aber ich muss grundsätzlich sagen, dass mich der Wandel der Gesellschaft in unserem Land mehr ängstigt als der Krieg selbst.“
© JOSH 2022