Heilig-Geist-Kriche Veitsbronn
Es gibt viel zu besprechen
Die Katholische Kirche steckt in einer Krise, ein „weiter so“ kann es nicht geben. Darin sind sich mittlerweile viele Katholiken einig. Auch Matthias Gimperlein und Johannes Kronau vom katholischen Pfarrgemeinderat in Veitsbronn. Sie haben nun die „Theologischen Gespräche in Veitsbronn“ initiiert. Mit diesen wollen sie ins Gespräch kommen und mit Interessierten über aktuelle gesellschaftliche Fragen und Glaubensfragen diskutieren. Gestartet wird die Veranstaltungsreihe, die im neuen Pfarrsaal stattfinden wird, am Sonntag, 6. März, 19 Uhr. „Fremdschämen für die eigene Kirche?“ lautet das Thema dieses Abends.
Herr Gimperlein, Herr Kronau, wie ist die Idee zu den „Theologischen Gesprächen“ entstanden?
Gimperlein: „Der Umbau der katholischen Kirche Heilig Geist in Veitsbronn ist nach fast drei Jahren erfolgreich abgeschlossen. Insgesamt rund 3,5 Millionen Euro flossen in das Projekt. Das Pfarrzentrum nebenan wurde verkauft, Pfarrsaal, Pfarrbüro und Jugendraum in das Kirchengebäude integriert. Die Zahl der Sitzplätze innerhalb der Kirche verringert sich somit etwa um die Hälfte von 300 auf 150. Diese große bauliche Veränderung steht auch symbolisch für einen großen Umbruch in der Kirchengemeinde und in der Kirche allgemein. Die konkrete Idee einer Gesprächsreihe, die grundlegende, aktuelle Fragen aus Gesellschaft und Glauben in unserer Zeit stellt, kam von Johannes. Der Pfarrgemeinderat hat sie sofort aufgegriffen, weil allen klar ist: Es gibt viel zu besprechen!“
Wer sind die Gesprächspartner?
Gimperlein: „Es sind haupt- und ehrenamtlich Engagierte aus den Veitsbronner Kirchengemeinden; beim Corona-Thema sind es zudem Personen aus Sport und gemeindlicher Jugendarbeit. Außerdem beim Thema ‚Kirche‘ Dr. Frank Schulze, der als Vertreter der Humanistischen Vereinigung Nürnberg dabei ist und selbst als säkularer Trauerredner zum Beispiel Beerdigungen abhält. Er bringt einen spannenden Blick von ‚außen‘ (auf die Kirche) mit.“
Welche Ziele verfolgt die neue Veranstaltungs-Reihe?
Kronau: „Wir wollen als Kirchengemeinde ‚im Gespräch‘ bleiben: sowohl untereinander (eher innerkirchliche Themen), als auch in der Gemeinde Veitsbronn als Ganzes. Das Angebot soll außerdem für einen guten und lebendigen Austausch sorgen. Es soll Raum geben für etwas tiefgründigere Fragen und zeigen, dass die Kirche nicht alles besser weiß, sondern selbst eine Fragende und Zuhörende ist. Dies ist Papst Franziskus sehr wichtig. Und ein Ziel ist zudem, durch gute Gespräche Netzwerke zu ermöglichen und aufzubauen.“
An welche Zielgruppe richtet sich die Veranstaltungs-Reihe?
Kronau: „Unterschiedlich: teilweise sind wohl eher Katholiken (auch bereits Ausgetretene!) angesprochen, es sind aber zu jeder Veranstaltung alle Menschen aus Veitsbronn und Umgebung eingeladen!“
Ist eine Fortsetzung der Theologischen Gespräche geplant?
Gimperlein: „Je nachdem, wie die Gesprächsreihe ankommt, kann sich daraus etwas entwickeln: Zum Beispiel ein ökumenischer Stammtisch!“
Muss sich „Kirche“ neu erfinden, um wieder mehr Menschen für sich zu gewinnen?
Kronau: „Sicher. Gegenüber der ZEIT hat mir Markus Lanz auf die Frage ‚Können Sie in dieser Kirche bleiben?‘ aus der Seele geredet: ‚Das ist der Widerspruch, den viele fühlen: Es geht nicht mehr mit dieser Kirche, aber in einer Welt ohne Kirche will man auch nicht leben. Sie wäre sehr viel ärmer.‘“
Gimperlein: „Gerade in naturwissenschaftlich geprägten Gesellschaftsbereichen herrscht oft die Meinung: Ein Gott ist nicht mehr notwendig, da wir fast alles physikalisch plausibel erklären können. Das stimmt sicher für sehr vieles, aber je weiter wir vorankommen in unseren Forschungen, desto öfter tauchen offene und ungeklärte Fragen auf – die meiner Meinung nach sicher noch Platz für Gott lassen. Wenn Gott und Naturwissenschaft nicht mehr als Widerspruch angesehen werden, ließen sich viele vielleicht begeistern.“
Wer die Nachrichten der vergangenen Wochen verfolgt hat, ist an der Berichterstattung über die neuen Dimensionen des Missbrauchsskandals in der Katholischen Kirche und das wohl offensichtliche Versagen von Josef Ratzinger/Papst Benedikt in dieser Angelegenheit nicht drum herumgekommen. Wie ist das für Sie als Gläubige, die sich vor Ort in Ihrer Kirche engagieren?
Kronau: „Die katholische Kirche in Deutschland erlebt derzeit ein Erdbeben. Es gibt nichts zu beschönigen: Der sexuelle Missbrauch innerhalb der Kirche, die Vertuschung und der Umgang mit Opfern sind eine Katastrophe. Das geht an keinem spurlos vorbei, und immer häufiger muss man sich rechtfertigen, noch bei diesem ‚Verein‘ mitzumachen. Aber genau diese Frage wollen wir ja zum Thema machen. Darum geht es in der ersten Veranstaltung.“
Das Programm der „Theologischen Gespräche Veitsbronn“
So., 6. März 2022, 19 Uhr:
Fremdschämen für die eigene Kirche?
Offene Aussprache; Einführung und Moderation: Johannes Kronau, Theologe; Andreas Müller, Pfarrer
Aufgrund der aktuellen Lage müssen sich immer mehr Menschen dafür rechtfertigen, noch katholisch zu sein. Wie gehen wir damit um? Gibt es noch Hoffnung auf Reform in der Kirche?
So., 13. März 2022, 19 Uhr:
Zwei Jahre „Corona“: Lockdown für Körper und Seele?
Gäste: Igor Ninic (Gemeindejugendpfleger Veitsbronn),
Dr. Peter Schuster (ASV Veitsbronn), Sabine Schöberl (Gemeindeheimatpflegerin), Johannes Meisinger (evangelischer Pfarrer)
Diese Frage stellen wir genau zwei Jahre nach dem ersten Corona-Lockdown. Eine Bilanz und Aussicht nach zwei Jahren: Welche seelischen und körperlichen Belastungen haben die Einschränkungen des öffentlichen Lebens gebracht – besonders für Familien und Jugendliche?
Was tun, damit sie „nach Corona“ wieder geheilt werden können?
So., 10. April 2022, 19 Uhr:
Christsein in Umbruchzeiten: Gedanken
Beteiligte: Johanna Ramsch, Vikarin (evangelisch), Johannes Meisinger, Pfarrer (evangelisch), sowie zwei (noch nicht festgelegte) Engagierte aus der katholischen Pfarrei Veitsbronn
Der Palmsonntag ist für alle Christen der Start in die „Heilige Woche“ mit Ostern als Höhepunkt. Genau der richtige Zeitpunkt also, um sich über das „Christsein“ heute Gedanken zu machen. Wir hören dazu etwa drei Predigtimpulse/ Ansprachen (je rund 10 Minuten) von haupt- oder ehrenamtlich engagierten Christen in Veitsbronn zu dem Thema. Daran schließt sich eine Diskussion an.
So., 15. Mai 2022, 19 Uhr:
Kirche: Bleiben oder gehen?
Im Gespräch: Dr. Frank Schulze (Humanistische Vereinigung Nürnberg), Gabi Syben (Gemeindereferentin Cadolzburg), André Hermany (Katholischer Dekan Fürth)
Ist es sinnvoll, „trotz allem“ Kirchenmitglied zu bleiben –
und wenn ja, für wen? Dies ist eine brennend aktuelle Frage, die auch in den Medien vielfach gestellt wird. Viele Menschen denken aktuell über einen Austritt nach. Es gibt so viele Austritte wie noch nie. Welche Angebote finden und nutzen Menschen in der Kirche? Welche Alternativen gibt es dazu außerhalb der Kirche, etwa für Trauerfeiern, Kommunion/ Konfirmation und Hochzeit? Welche Rolle spielt der Glaube bzw. die Weltanschauung dabei?
© JOSH 2022