Kerstin Dattner, Konrektorin der Mittelschule Langenzenn-Veitsbronn im Interview
„Wir wollen Schule wieder leben können!“
Präsenz-, Wechsel- und Distanzunterricht, digitale Lernplattformen, Lernlücken und Luftfilter, sozial verkümmerte Kinder, Chaos und Ängste – das alles waren Begriffe, die während der Pandemie im Zusammenhang mit dem Schulbetrieb immer wieder gefallen sind. Nach den Sommerferien geht’s nun wieder los mit dem Unterricht. Doch in welcher Form? Und was hat man aus den zurückliegenden eineinhalb Jahren Pandemie gelernt? Kerstin Dattner, Konrektorin der Mittelschule Langenzenn-Veitsbronn, hat mit Josh Reuter über „Schule in Zeiten von Corona“ gesprochen.
Frau Dattner, Corona hat vor allem die Abläufe in den Schulen beeinflusst. Wie haben Sie diese neue Herausforderung gemeistert?
„Wir hatten das Glück, dass wir mit dem Anfang des Schuljahres 2020/21 Microsoft Teams nutzen konnten. Dieses bietet unter anderem die Möglichkeit, digitale Konferenzen durchzuführen, eine digitale Heftsammlung anzulegen (Klassennotizbuch) und ist insgesamt ein tolles Kommunikationsinstrument, um mit den Schüler*innen in ständigem Austausch zu stehen.“
Was lief während dieser Zeit gut, was weniger gut?
„Die Vermittlung unterrichtlicher Inhalte lief gut. Aber der persönliche Austausch mit den Schüler*innen und Kollegen*innen fehlte sehr.“
Wie gut war die Mittelschule Langenzenn für den digitalen Unterricht vorbereitet?
„Schüler*innen, die kein eigenes digitales Endgerät besitzen, wurden von der Stadt Langenzenn mit Leihgeräten versorgt, so dass alle gleichermaßen am digitalen Unterricht teilnehmen konnten.“
Wegen Corona konnten die vielen Feste, Projekte und Klassenfahrten nicht stattfinden – was hat das mit der Schulfamilie gemacht?
„Schule ist nicht nur die Vermittlung von Lernstoff. Das Schulleben konnte nicht stattfinden. Viele Schüler*innen müssen erst wieder lernen, miteinander zu arbeiten, Konflikte auszuhalten und auszutragen, Rücksicht zu nehmen sowie Freude, aber auch Ängste zu teilen.“
Hat sich das Schulleben insgesamt merklich verändert?
„Die offiziellen Vorgaben (Rahmenhygieneplan) schränken den Alltag in der Schule schon erheblich ein. Zum Beispiel bei der Pause: Die Schüler*innen können sich nicht so frei bewegen, wie es für sie nötig und auch sinnvoll wäre. Und Gruppenarbeiten unterliegen strengen Vorgaben, so dass auch hier die notwendige Freiheit fehlt.“
Man lernt ja bekanntlich nie aus – was haben Sie durch die Pandemie gelernt?
„Die digitale Welt hat die Schule voll vereinnahmt. Das Arbeiten hat sich sehr verändert, bietet aber auch viele tolle Möglichkeiten. Viele Lehrkräfte waren nun gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen. Ohne die Pandemie hätte es sicher länger gedauert.“
In der öffentlichen Diskussion hieß es immer wieder, die Kinder würden auf der Strecke bleiben. Wie haben Sie das erlebt?
„Das soziale Miteinander aller Menschen ist auf der Strecke geblieben. Natürlich ist das gerade für Kinder und Jugendliche wichtig: sich mit Gleichaltrigen zu treffen, auszutauschen, zu messen, auseinanderzusetzen.“
Das nächste Schuljahr steht bevor. Mit welchen Gefühlen blicken Sie darauf, was erhoffen Sie sich und wie sieht die Planung dafür aus?
„Wir in der Schule Beschäftigten hoffen darauf, dass uns weitere Schulschließungen erspart bleiben, dass wir gemeinsam mit unseren Schüler*innen arbeiten und Schule leben können. Hoffentlich erhalten wir ein bisschen mehr Planungssicherheit für 2021/22“.
Wir danken Ihnen für das informative Gespräch!
© JOSH 2021
Fach-Kommentar
Die Pandemie eines Virus brachte uns die so genannte Corona-Krise. Und die führte seit dem Frühjahr 2020 in Millionen von Familien zu einer wohl ungeahnten Ausnahmesituation. Der Alltag von Familien mit Kindern hat sich in Deutschland in diesem ersten Lockdown stark verändert: Kinderkrippen, Kindergärten und Schulen waren geschlossen. Erst nur Notbetreuung, dann langsam nach einer Lockerung waren Kindertagesstätten für weitere Kinder geöffnet. Spielplätze waren lange gesperrt. Die Möglichkeiten, sich draußen zu bewegen, fielen vielerorts weg. Persönliche Kontakte zu Großeltern und Freundeskreis waren kaum oder nur eingeschränkt möglich. Gleichzeitig musste in kürzester Zeit Distanzunterricht und – in vielen Fällen für die Eltern – Homeoffice organisiert, und das Leben in der Familie neu strukturiert werden. Für Kinder bedeutete dies Verzicht auf Freunde und dass die gewohnten Freizeitaktivitäten wegfielen. Schule gar wurde zu einer Geduldprobe für Groß und Klein.
Schule ist mehr als ein Ort der Wissensvermittlung, das hat die Pandemie verdeutlicht. Und so ist die Bereitschaft der Kultusministerinnen, die Schulen in der kommenden Infektionswelle offenzuhalten, sehr hoch. Ob genug getan wird, um die Gesundheit von Schülerinnen- wie Lehrerschaft zu schützen und den Beitrag der „Massenveranstaltung“ Schule zum Infektionsgeschehen zu mindern, ist umstritten. Das Menschenrecht auf Bildung, das viele Voraussetzungen für die Wahrnehmung anderer Rechte schafft, gilt es in Zeiten der Pandemie in Deutschland und weltweit bestmöglich zu wahren. „Nach Corona“ muss mehr getan werden, um dieses Recht für alle zu verwirklichen – ohne dabei dem Irrglauben zu verfallen, Bildung allein könne alle gesellschaftlichen Probleme lösen.
Das Recht auf Bildung ist nicht erst seit der Corona-Pandemie ständig herausgefordert. „Bildung für alle“ lautet seit vielen Jahren das Versprechen der internationalen Staatengemeinschaft: Jedes Kind soll an jedem Ort der Welt zur Schule gehen können. Doch diese weltweite Krise und allein der Blick auf die Probleme mit der Umsetzung von Bildung für unsere Kinder in unserem Land, ist eine Herausforderung. Denn: Kinder und Jugendliche sind von der Corona-Krise besonders betroffen. In der Krise haben sie die Schule als sozialen Ort, als Ort der Begegnung mit Freunden und Lehrkräften vermisst. Nach Einschätzung der Eltern sind 48,5 % der Kinder und Jugendlichen sehr oder ziemlich motiviert für Lernen, hingegen 51,1 % eher wenig bis nicht motiviert. 75,7 % der Eltern gibt an, dass ihr Kind sehr oder ziemlich unter dem Wegfall von Freizeitmöglichkeiten während der Covid-19-Pandemie leidet. Knapp ein Viertel der Eltern gibt an, dass sie die Beziehung zu ihrem Kind allein durch das Homeschooling als belastet ansehen. Dies allein belegt offensichtlich die Relevanz der sozialen Dimension von Schule, die es künftig auszubauen gilt. Auffangen, Unterstützen und Anleiten sind gefragt.
Hoffen wir also auf die Stärke von erwachsenen Entscheider*innen. Denn ein zentraler Entwicklungsbereich betrifft das Feedback, also dem Zusammenhang zwischen nicht eingereichten Arbeitsergebnissen an die Lehrkräfte und dem Feedback zu sehen. Arbeitsergebnisse wurden nur teilweise an die Lehrkräfte übermittelt, was im Umkehrschluss dazu führt, dass es hierzu keine Rückmeldungen durch die Lehrkräfte gab. Hier gilt es, herauszufinden, weshalb Arbeitsergebnisse nicht an die Lehrkräfte übermittelt wurden und ob die Gründe eher bei den Familien oder bei den Lehrkräften liegen. Ursächlich für fehlendes Feedback ist aber zum anderen nicht allein die ausgebliebene Übermittlung von Arbeitsergebnissen. Hier scheint es noch andere Ursachen zu geben, beispielsweise könnte dies eine Folge erhöhter Arbeitsbelastungen der Lehrkräfte sein, die gleichfalls zu ermitteln sind, um dem entgegen zu steuern. Die Hoffnung stirbt zuletzt!
© JOSH 2021
Diplom-Sozialpädagoge und Ex-Kreisjugendpfleger